Einzelausstellung. Ionion Center for the Arts and Cultures. Kefalonia. Griechenland. 2017
Handgeschriebenes Ausstellungsplakat und Text
Wir nannten die Erde eine der Blumen des Himmels, und den Himmel nannten wir den unendlichen Garten des Lebens.
Wie die Rosen sich mit gold´nen Stäubchen erfreuen, sagten wir, so erfreue das heldenmütige Sonnenlicht mit seinen Strahlen die Erde; Sie sei ein herrlich lebend Wesen sagten wir, gleich göttlich, wenn ihr zürnend Feuer oder mildes klares Wasser aus dem herzen quille, immer glücklich, wenn sie von Tautropfen sich nähre, oder von Gewitterwolken, die sie sich zum Genusse bereite mit Hülfe des Himmels, die immer treuer liebende Hälfte des Sonnengotts, ursprünglich vielleicht inniger mit ihm vereint, dann aber durch ein allwaltend Schicksal geschieden von ihm, damit sie ihn suche, sich nähere, sich entferne und unter Lust und Trauer zur höchsten Schönheit reife.
So sprachen wir. Ich gebe Dir den Inhalt, den Geist davon. Aber was ist er ohne das Leben?
Der Ausstellungstext ist ein Fragment aus dem mittlerweile vor 223 Jahren in Deutschland erstmals publizierten HYPERION von Friedrich Hölderlin.
Ich übersetzte das Fragment frei in´s Englische und gab statt Einführung in die Ausstellung lediglich einen Satz meinerseits dazu :
„As for these times, my humankind, I need to say : I lack the words. So let me use my brothers ones…“
Der frei übersetzte englische Text wurde daraufhin von Sophia Giannakis Kagadis frei in Neugriechisch übersetzt. Was bei all der Übersetzung, Überführung und Ein-oder Nichteinführung gewonnen oder verloren ging liegt -wie das bei der Ausstellung entstehende Weltbild und Verständnis- in der Interpretation und Projektion des jeweils individuellen Lesers und Betrachters.
220 Jahre nach seiner Veröffentlichung in Deutschland liegt Hölderlin´s Hyperion auf einem ausrangierten, aus dem Müll geretteten rosafarbenen Fenster und 2 verrosteten Olivenöldosen nebst Bouquet aus Brombeeren und einer roten Rose gebettet auf der Insel Odysseus´.
Mein leeres handgefertigtes Lederbuch mit zweierlei Zeichenpapier, das darauf wartet, in dieser Zeit (?) gefüllt zu werden. Links daneben: Irgendwie stimmgabelanmutendes schweres Ding von der Wiese um die Ecke auf Schwemmholz.
Gefallene Engelstrompeten aus dem Garten von Sophia
täglich gesammelt und getrocknet und mit ihrem Duft betörend den ganzen Raum erfüllend.
Leonardo da Vinci´s Wasserbuch über Schwemmholz für Homer und Platon von letztem Jahr.
Zeichen: mit Zengras gefüllte handgefertigte Kefalonische Vase , die, ihrer Eigenschaft als schönes Dekoobjekt treubleibend, still dabei zusieht wie Granatapfelblütenmigranten von einer ästelnd hölzernen Schlange bedroht werden.
Der lange Versuchstisch aus verwundeten Fenstern und verrosteten Olivenöldosen trägt:
Die Pflanze, die letztes Jahr mein informiertes Wasser trank und so Herbst, Winter und Frühling überlebte, um mich im Sommer zu erwarten. (Ihre Zwillingsschwester trank Leitungswasser. Sie hat es nicht geschafft.)
Ich hatte noch kein Worte, um mein Notizbuch für den Erstversuch zu füllen, ein Buchstabe hält dafür her. Und den erblick´ich auch in der hölzernen Wurzel, die ich am Wegesrand fand.
Eine Biene ist in meiner Ausstellung gestorben. Soll sie in Frieden ruhen auf meinem Stein im Stein mit Ringsamen, die ich nicht kenne…für all die andern die da draussen ständig sterben.
Meerwasserbriefbefülltes Fläschchen auf Kaktusinnerem vor grabsteinanmutendem Bruchstück aus altem Tongefäss.
Jahrhundertealte unbehandelte kefalonische Samen aus Familienbestand auf vom Erdbeben zerstossenem Hausbruchstück, dass von der Natur zurückerobert wird.
Leeres Papier für Besuchernotiz mit Muschelfossil und getrockneter sonnensandfarbener Engelstrompete auf altem Dachziegel.
Kleiner kefalonischer Keramikkrug. Wasser in zwei Gläsern auf Stein:
Das eine beschriftet mit YDOP (altgriechisch) und NEPO (neugriechisch)
Dachziegel mit auf der Insel gesammelten trocknenden Heilkräutern.
Handgefertigte Kefalonische Karaffe.
Die erweiterte Versammlung Staatenloser Steine formt ein falsches Fragezeichen um:
Mein Weltbild und Johann Gottfried Herder´s 1935 herausgegebenes, durch leere Seiten still zensiertes Buch „Menschheit und Geschichte“ auf Schwemmholz mit Blumenstrauß, der mit Sanskrit, Alten Hellenen, Romantikern, Kommunisten und für das Jetzt mit Steffen Popp über die Weltenlage korrespondiert.
Olivenpresse:
Von ständig angekettetem Hund gerissener Olivenbaumast in Olivenpresse aus 2 gegensätzlich zusammenpassenden Steinen.
Krieger aus gesammeltem Holz von 2016
Notizbuch mit Zitat von William Blake auf zerbrochener Laternenenglasscheibe am Eingang/Ausgang der Ausstellung.

Randnotizen:
Olivenöl darf in Griechenland nur durch zwei grosse Firmen vertrieben werden, eigene Olivenpressen sind untersagt.
Wasser soll privatisiert werden.
Die Insel verfügt über viel weniger bewirtschaftetes Land als früher.
Brunnen und Wasserquellen müssen gemeldet werden.
Gräber aus der Zeit von 1350 vor Christus sind so leer wie das Versprechen einer einstigen Kultur und Menschlichkeit. Dass diese Insel die von Homer in seiner Odyssee beschriebene sein könnte verschweigen Artefakte, die in irgendwelchen Museumskellern liegen und so die Forschungsarbeit erschweren.
Viele staatenlose Steine durften nicht ausreisen. Sie wurden mir am deutschen Flughafen auf Kefalonia abgenommen.
Völlig unfertiges Weltbild. (aus Millionen von Fragezeichen) 2017